Stell dir vor, jemand macht eine App, die nimmt allen das Geld weg. Und im selben Augenblick bekommt jeder Mensch 1 Million. Was wäre das für ein Leben?
Arm und reich
Ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt mehr Geld als alle anderen, und die Kluft zwischen den Reichsten und dem Rest der Welt wird größer. 2009 gehörte einem Prozent der Bevölkerung 44 Prozent des Reichtums, aber 2016 waren es schon mehr als 50 Prozent. Die Finanzkrise des Jahres 2008 scheint heute zwar nur noch eine blasse Erinnerung zu sein. Tatsächlich ist sie auch 2017 noch nicht überwunden. Jeder neunte EU-Bürger ist arbeitslos. In vielen Nationen übersteigen die Schulden die jährliche Wirtschaftsleistung. Das hat zur Folge, dass die Menschen arbeiten, um für die Tilgung der Schulden und Zinsen aufzukommen. Auslöser der Dauerkrise ist aber nicht das Fehlverhalten einzelner Spekulanten. Das Finanzsystem leidet unter einem Konstruktionsfehler.
Wie Geld entsteht
Die meisten Menschen gehen davon aus, dass die Münzen und Scheine in ihrem Geldbörsel und die Zahlen auf ihrem Bankkonto ungefähr das gleiche sind. Tatsächlich existiert weniger als ein Zehntel des Buchgeldes in Form von Bargeld. Möglich ist das, weil Geld – entgegen eines weit verbreiteten Irrglaubens – nicht durch Zentralbanken allein geschöpft wird. Der Großteil des Geldes wird von den Geschäftsbanken erzeugt – immer dann, wenn diese Geschäftsbanken einen Kredit vergeben. In dem Moment, in dem die Bank ein Darlehen auf das Girokonto eines Kreditnehmers bucht, schafft sie neues Geld. Gedeckt sein müssen diese Kredite nicht. Die Bank muss nur eine geringe Mindestreserve besitzen – in der Eurozone ist das 2017 zum Beispiel nur ein Prozent.
Dieses sogenannte Teilreserve-Banking hat einen großen Nachteil: Haben die Banken sehr viele ungedeckte Kredite vergeben, die dann auch noch in intransparente Finanzprodukte und Derivate investiert wurden, kann das ganze Kartenhaus in sich zusammenstürzen. Im Jahr 2008 ist das beinahe geschehen. Regierungen auf der ganzen Welt bemühten sich, Bankkunden zu beruhigen: alle Guthaben seien durch den Staat garantiert. Das mussten sie tun, denn im Falle eines Bankensturms wäre ja bei weitem nicht genug Bargeld für alle da.
Staat und Geld
Manche Ökonomen fordern seit vielen Jahrzehnten Alternativen zum Prinzip “Geld aus Schulden”. Traditionell sind es die Vertreter der „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“, die für ein Hartgeld eintreten, dessen Menge begrenzt ist. Denn dann könnten Banken nicht beliebig Kredite vergeben, und Spekulanten nicht so viele gewagte Wetten eingehen. Proponenten dieser heute vor allem in den USA populären „Austrian School“ meinen auch, dass staatliche Interventionen in einer Krise diese nur verlängern würden. Dem halten Vertreter der gegnerischen Wirtschaftstheorie, des Keynesianismus, entgegen, dass Regierungen bei höherer Arbeitslosigkeit für günstigere Kredite sorgen müssen, um Investitionen zu fördern – die Geldmenge soll also erhöht werden können, um Stabilität und Wohlstand zu fördern. In beiden Wirtschaftsschulen finden sich heute Querdenker. Sie wollen sowohl eine neue Form von Geld, als auch mehr Gerechtigkeit. Sie wünschen sich eine Trennung von Staat und Geld, analog der Trennung von Staat und Religion. Verschiedene Währungen sollen unabhängig von nationalstaatlichen Grenzen miteinander konkurrieren können.
Kryptowährung
Zu den Menschen, die über alternative Formen von Geld nachdenken, gehören seit Jahrzehnten auch die sogenannten Cypherpunks, eine Bürgerrechtsbewegung, die seit den neunziger Jahren erfolgreich für das Bürgerrecht auf private Verschlüsselung gekämpft hat. Darüberhinaus haben dei Cypherpunks auch eine der wichtigsten Kryptographie-Technologien, die wir heute im Internet verwenden erfunden: PGP, SSL und vieles mehr. Im Jahr 2008 erfanden Cypherpunks auch Bitcoin, das gleichzeitig eine Form von digitalem Bargeld sowie ein Internet-Protokoll für die Übertragung von Wert ist. Bitcoin und andere Kryptowährungen können direkt von User zu User weitergegeben werden – ohne Zuhilfenahme einer dritten Partei wie Bank, Kreditkartenfirma oder Clearing House. Eine Motivation für die Erfindung von Bitcoin war auch der Wunsch nach Privatsphäre. Denn der Trend geht in die entgegengesetzte Richtung: Regierungen wollen, dass wir anstatt Bargeld zunehmend Zahlungsdienstleister verwenden, denn dann sind unsere Transaktionen leichter zu überwachen. Mit Bitcoin holt sich die Menschheit also ein Stück Privacy zurück.
Die Lohnquote sinkt
Zählt man alles Geld zusammen, das in der westlichen Welt verdient wird (Löhne und Gehälter, Mieteinnahmen, Einnahmen aus Firmenbesitz, Börsengewinne, Zinsen), dann wird der Anteil der Löhne und Gehälter daran immer niedriger. Die sogenannte Lohnquote sinkt also. 1970 betrug sie in Österreich noch knapp 80 Prozent, heute nur noch 70 Prozent. Jene Menschen, die aus ihrem vorhandenen Kapital mehr Geld machen, bekommen also mehr als normale Lohnempfänger. Einer der Gründe dafür ist der technische Fortschritt. In automatisierten Betrieben mit Robotern und Software werden weniger Arbeiter benötigt. Dieser Trend nimmt zu. Verteilungsgerechtigkeit wird sich in Zukunft nicht von selbst einstellen. Eine Möglichkeit, sie zu fördern, wäre die sogenannte Maschinensteuer oder Wertschöpfungsabgabe. Sie würde das Ungleichgewicht zwischen personal- und kapitalintensiven Unternehmen ausgleichen.
Grundeinkommen?
Ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle könnte den Sozialstaat und gängige Prinzipien vom Fördern und Fordern grundlegend umkrempeln. Im Jänner 2017 startete Finnland dazu eine Testphase. 2000 Finnen erhalten zwei Jahre lang 560 Euro monatlich. Das Geld ist nicht an Bedingungen geknüpft – man erhält es auch, wenn man arbeitet. Die Argumente dafür sind vielfältig. Ein nicht stigmatisiertes Grundeinkommen könnte auch ärmeren Bürgern die Möglichkeit geben, Risken einzugehen – also zum Beispiel, einen sicheren, aber schlecht bezahlten Job aufzugeben, um sich weiterzubilden oder selbstständig zu werden. Mehr soziale Sicherheit und gleichzeitig mehr Innovation durch Startup-Unternehmen – in einer Gesellschaft, in der die Produktion von Gütern zunehmend automatisiert wird, brauchen wir das vielleicht.
Bitcoin:
http://bitcoin.org
Andreas Antonopoulos über Kryptowährung:
https://youtu.be/VMDVsM-Cnmc
Die Geschichte der Cypherpunks:
bit.ly/2xW2xoP
Wieviel Geld und wieviel Schulden hat die Welt? Grafischer Vergleich (Stand 2015):
http://money.visualcapitalist.com/all-of-the-worlds-money-and-markets-in-one-visualization